Kapitel Echo. Diskurs / chapter echo. discourse

Meinungen / Diskurs

 

Kommentar
Martin Nauhaus   [ Kann man ein Monster lieben? ]


Datum


Kommentar

27.11.2015,
20:43

Die Frage, die ich nicht gestellt hatte, lautete: „Kann man ein Monster lieben?“ – ich will versuchen, sie auf
Samson bezogen zu beantworten.

Ein Monster, Monstrum, Ungeheuer, Scheusal also. Ist Samson so eines? T. N. hat ihn auch einen „rachsüchtigen,
rücksichtslosen Egozentriker , einen selbstgerechten Fanatiker“ genannt. Das ist nicht dasselbe. Die zitierten
Charakterisierungen für Samson teile ich, aber ist er ein Monstrum? Ein abartiges Geschöpf der Hölle? War
Heydrich ein solches? Waren es Göring oder Goebbels, Hitler gar? Oh nein, das glaube ich nicht. Das hieße, ihre
fürchterlichen Taten (ja, Taten!) zu verharmlosen und damit quasi zu erklären, sie seien so etwas ähnliches wie
unzurechnungsfähig, gar pathologisch wahnsinnig gewesen. „Der Wahnsinn ist nur eine schmale Brücke“
(Rammstein) – auch das ist wahr, aber doch lassen sich Unterschiede feststellen zwischen „unnormalem“
Verhalten und krankhaftem Wahn.

Nein, ich denke nicht, daß Samson eine monströse Ausgeburt Satans war. Was ich von ihm halte, ist bereits
geschrieben und deckt sich weitgehend mit der Meinung von Nico – mit Ausnahme der Bezeichnung „Monster“.
Hier gehe ich nicht mit. Und insoweit erübrigt sich auch die Antwort auf die Frage, ob ich, ob man das Monster
(Samson) lieben könne. Wollte ich sie dennoch beantworten wollen, so machte ich das mit einer Gegenfrage:
Muß man ein Monster lieben? Oder: Warum sollte ich?

Warum unsere schönste menschliche Gabe, die Liebe, an ein Scheusal verschwenden? Das sähe ich nicht ein.
Aber selbst wenn man Samson nicht als Monster sieht, sondern – wie ich – als narzißtischen, selbstgefälligen
Machtmenschen, der guter Gefühle nicht fähig zu sein scheint, wenn man ihn denn als Prototypen des
ungeläuterten Sünders sieht – selbst dann muß ich ihn nicht lieben. Ich kann versuchen, ihn zu verstehen, kann
versuchen, seine Wege nachzuvollziehen und vielleicht sogar zu erklären, aber ihn lieben? Nein, das muß ich
nicht, und das will ich nicht.

Muß ein Künstler sein Werk lieben? Ja, das wäre wünschenswert. Aber muß er deswegen auch das lieben, was er
darstellt? Keineswegs. Erich Maria Remarque oder Otto Dix liebten den schrecklichen Krieg nicht, den sie
darstellten. Andere Beispiele ließen sich zuhauf finden. Meine Antwort auf die von mir nicht gestellte Frage lautet:
Nein. Weil es keinen Grund dafür gibt.  
 
 

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